Hexen und / oder Heiler*innen?

Die Hexenverfolgung aus der Perspektive der Pharmaziegeschichte

Wie lassen sich die Hexenverfolgungen in der Pharmaziegeschichte verorten? Der offensichtlichste Bezug findet sich auch in der Ausstellung des Pharmaziemuseums – es gibt eine Gruppe von Heilpflanzen, welche mit Zauberei assoziiert wurden: die sogenannten Hexenkräuter, welche zur Herstellung von Flug- oder Hexensalbe verwendet wurden. Unter Flugsalbe oder Hexensalbe verstand man eine Paste, die Scopolamin- und Hyoscyaminhaltiges pflanzliches Material von beispielsweise Tollkirschen, Bilsenkraut oder Alraune enthielt. Der Mythos lautete, dass Hexen diese Salbe verwendeten um Objekte, wie z.B. den Besenstiel zum Fliegen zu bringen. Tatsächlich sollen sich solche Szenen auf der berüchtigten Hexenmatte bei Pratteln abgespielt haben. 1588 gestand Ursula Schönenberg aus Pfeffingen, auf einer Spindel und 1594 Anna Tschup aus Reiden auf einem Besenstiel auf die Hexenmatte bei Pratteln geflogen zu sein. Ottilia Lindauer aus Zug erzählte 1665, dass sie vom Teufel die Salbe erhalten hätte, mit der “sy ein Stäcken ins Tüffels Namen anstrychen müessen, damit uff Täntz und gastmähler, uff Brathelen Matt” geflogen sei. Während man in Basler Quellen davon lesen kann, dass die Aescherin Ita Lichtermutt 1532 verbrannt wurde, weil sie “einen wolf griten” haben soll, finden wir in einer Luzerner Gerichtsakte den Bericht von Margreth Thüttinger aus Brittnau, die davon berichtet, auf Stühlen geritten zu sein. Die Stühle “salbettends Mitt Arbonen salb; die hab jnen der Tüffel geben.” – seien also (wohl) mit aus Aronstab gemachter Salbe eingestrichen worden.

Hinter dem Mythos der Flugsalbe befindet sich wohl eine pharmakognostische Realität: Scopolamin, wie auch Hyosciamin sind psychotrop und haben bewusstseinsverändernden Effekte. Es ist also anzunehmen, dass sie durchaus aus hedonistischen Gründen konsumiert wurden. Ab gewissen Dosen können sie aber zu Wahnvorstellungen und Angstzuständen führen – in diesen Momenten begegneten den Menschen wirklich Dämonen.

Foto: Caravaccia-Kreuz gegen Wetterzauber.
Abb. 1: Caravaccia-Kreuz gegen Wetterzauber

Ein weiterer Bezug zur Pharmaziegeschichte ist umstrittener. Schon länger schwirrt, wenn von der Hexenverfolgung gesprochen wird, die These im Raum, wonach die Hexenverfolgung primär gegen ein spezifisch weibliches Wissen gerichtet gewesen wäre. Diese These geht nicht zuletzt auf das wissenschaftlich diskreditierte Buch “Die Vernichtung der Weisen Frauen” der deutschen Soziologen Gunnar Heinsohn und Otto Steiger aus dem Jahre 1979 zurück. In den Standardwerken der Pharmaziegeschichte gilt als widerlegt, dass primär Hebammen von der Hexenverfolgung betroffen gewesen wären, weil man deren tradiertes Heilwissen verdrängen wollte. Doch ist die Sache damit gegessen? Schliesslich wird in den gleichen Werken davon berichtet, dass es durchaus ein vor allem Frauen zugeschriebenes Heilwissen gab. Dass die Hexenverfolgung ein aus Frauenfeindlichkeit geborene Entwicklung war, ist ebenfalls nicht erst seit der feministischen Bewegung bekannt. Gibt es also überhaupt keinen Zusammenhang zwischen der Verfolgung von Frauen als Hexen und Heilwissen?

Diese Frage generell zu beantworten übersteigt den hier vorgegebenen Rahmen. Anhand eines Überblicks über die in Basel dokumentierten Fälle der Hexenverfolgung können wir uns aber einen Eindruck davon verschaffen, wie es sich zumindest hier in unserer Stadt verhalten hat.

Die Hexenverfolgung spielt sich vor allem im 15. und 16. Jahrhundert ab. In dieser Zeit werden in Zentral- und Südeuropa wohl zwischen 40’000 und 60’000 Menschen wegen des Verdachts der Hexerei ermordet und ca. 3 Mio. angeklagt. Rund 80% davon waren Frauen. Die Epizentren der Hexenverfolgung befanden sich in Südfrankreich, Italien, Deutschland und der Schweiz. In Basel sind laut den aktuellsten Forschungen zwischen dem 14. Und 17. Jahrhundert rund 123 Personen der Hexerei oder der Zauberei angeklagt worden, darunter 103 Frauen. Bei 29 Personen ist bekannt, dass sie aufgrund dieser Vorwürfe zum Tode verurteilt wurden.

Leider ist uns in den meisten Fällen weder bekannt, was genau das Vergehen der verurteilten Frau gewesen sein soll bzw. was genau Anlass zum Verdacht gegeben haben soll – noch ist uns ihr sozialer Hintergrund vermittelt. In wenigen Fällen (um genau zu sein bei vier) ist uns aber ein Bezug zu Heilwissen gegeben. So soll es sich bei der 1417 aus der Stadt verbannten Frau Katherin von Prag tatsächlich um die Frau eines Apothekers gehandelt haben. Ihr wurde vorgeworfen, zahlreichen Personen verpulverte Alraunen zu Essen gegeben zu haben. Bereits 3 Jahre zuvor war Grede Bleicherin eine Uhrfede auferlegt worden, weil die “Arzatin” verdächtige Gegenstände auf sich getragen hatte (Wolfsaugen, Eisenkraut, “wüste Tüchlein” und “argwöhnisch Silber und Gold”). Die 1458 zum Feuertod verurteilte Gret Fröhlicherin – sie soll ihr Schwiegertochter mit einem Schadzauber belegt haben – war tatsächlich eine Hebamme. Im Jahr 1602 wurde dann Margreth Vögtlin aus Riehen in einen langwierigen Hexereiprozess verwickelt. Vögtlin, zu dieser Zeit bereits verwitwet, war in der Stadt Basler als Bettlerin und Kräuterfrau bekannt. Während also bei diesen vier Fällen die verfolgten Frauen zum Teil gerade wegen ihrer Tätigkeit als Heilkundige (Grede Bleicherin, Katherin von Prag) verurteilt wurden – oder zumindest solcher Tätigkeit nachgingen (Gret Fröhlicherin, Margreth Vögtlin), ist aber in der überwältigenden Mehrheit der dokumentierten Fälle ein solcher Bezug nicht ersichtlich. Dies ist keine abschliessende Erkenntnis. Oft ist nämlich überhaupt nicht klar warum Frauen der Hexerei oder Zauberei bezichtigt wurden. Die berufliche Tätigkeit ist zudem fast gar nie aufgeführt.

Alraunenwurzel und sog. Alraunenmännchen aus der Dauerausstellung des Pharmaziemuseums.
Abb. 2: Alraunenwurzel und sog. Alraunenmännchen aus der Dauerausstellung des Pharmaziemuseums

Wir können aber feststellen, dass in den Fällen, wo die vermuteten Vergehen dokumentiert sind zwei Beobachtungen gemacht werden können. Erstens praktizieren in zahlreichen Fällen die der Hexerei oder Zauberei Schuldigen eine deviante Form der Sexualität. Der 1647 in Haft genommenen Elsbeth Hertnerin aus Ziefen wurde beispielsweise zur Last gelegt, gleichgeschlechtlichen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben.  Oft finden wir in den Beschreibungen der Anklagen auch Erwähnungen von Liebhabern, an denen sich die verdächtigten Frauen rächen wollten, weil sie sie verschmäht hatten. Mehrere Fälle handeln auch von versuchten Liebeszaubern, mit denen verheiratete Männer verführt werden sollten. Der Hexerei- und Zaubereivorwurf wird in diesem Zusammenhang zu einer Sanktion für vermutete “anormale” Sexualität, die sich nicht gehört.

Zweitens ist ein grosser Teil der Anschuldigungen im Kontext von Prahlerei, Beleidigungen und persönlicher Antipathie einzuordnen. So wurden z.B. Catherin Schwitzerin und Margreth Meigerin aus Gelterkinden im Jahr 1547 mit einer Uhrfede belegt, weil sie sich durch “frevelhaftes Geschwätz” und “Drohreden” zu erkennen gegeben hätten. Zudem hätten sie alle, die ihnen einen Wunsch verwehrten, mit Schadzaubern belegt.

Obwohl es durchaus Beispiele dafür gibt, dass Heilkundige der Hexerei oder Zauberei bezichtigt wurden, lässt sich daraus allerdings keine allgemeine Tendenz herleiten, zumindest was die Basler Quellensituation anbelangt.

Quellen

Literatur

Guggenbühl, Dietegen: Mit Tieren und Teufeln. Sodomiten und Hexen unter Basler Jurisdiktion in Stadt und Land 1399 bis 1799. Liestal 2002.

Heinsohn, Gunnar / Steiger, Otto: Die Vernichtung der weisen Frauen. Bevölkerungspolitik – Hexenverfolgung – Kinderwelten – Menschenkontrolle. Herbstein 1985.

Schmitz, Rudolf: Geschichte der Pharmazie. 2 Bände. Eschborn 2005.

Maihold, Harald: Hexerei und Strafjustiz. Ein Blick auf Basel im Spätmittelalter. Norderstedt 2020.

Buxtorf-Falkeisen, Carl: Basler Zauber-Prozesse aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Basel 1868.

Abbildungen

Abb. 1: PMUB A183

Abb. 2: PMUB

Autor*in

Elias Bloch