Vorgeprescht – und später totgeschwiegen Maria Gundrum (1868-1941)

Veröffentlicht am 26.4.2021, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Neuzeit

Maria Gundrum gründete einen Verein, der zur Avantgarde der Basler Frauenbewegung gehört. Trotzdem kommt sie in der lokalen Geschichte nicht vor. Sie, die sich bereits als junge Lehrerin unbeliebt machte und aus Basel wegging, offenbarte später in ihrer Wahlheimat München wenig Distanz zu nationalsozialistischen Kreisen. Damit brachte sie sich endgültig um Anerkennung und Würdigung.

Vom Waisenhauskind zur Lehrerin

Ihre Herkunft prädestinierte Maria Gundrum nicht dazu, in Basel eine politische Rolle zu spielen. 1868 geboren, verbrachte sie ihre Kindheit in München. Ab dem 12. Lebensjahr wuchs sie im Basler Waisenhaus auf; ihr früh verstorbener Vater war Basler. Als Waisenhausmädchen den Aufstieg zur Lehrerin zu schaffen, war keineswegs selbstverständlich. Noch hatten in Basel nur Männer Zugang zu einem pädagogischen Studium; künftige Primarlehrerinnen mussten sich mit gesonderten Kursen begnügen. Gundrum gelang der Sprung ans Lehrerinnenseminar in Bern, das sie nach dreijähriger Ausbildung abschloss. Ab 1892 unterrichtete sie in Basel an der Mädchensekundarschule.

Ein Blick in ihre Lehrerberichte verrät, dass sie früh Überlegungen zu einem verbesserten Mädchenunterricht anstellte. Ihr schwebten eigene Schulbücher für Mädchen vor, wobei ihren Vorstellungen wenig Revolutionäres anhaftete: “Sollte nicht das Lesebuch dazu beitragen, dem Mädchen seine zukünftige Welt zu erschliessen: Das Leben im Haus und in der Familie?”.

Maria Gundrum im Jahr 1910
Abb. 1: Maria Gundrum im Jahr 1910 (© Bayerische Staatsbibliothek München).

An der Benachteiligung der Lehrerinnen stiess sie sich besonders. Als 1893 in Bern der Schweizerische Lehrerinnenverein gegründet wurde, sorgte Gundrum dafür, dass auch in Basel eine Sektion entstand. Im Oktober 1895 fand die Gründungsversammlung statt und Gundrum übernahm das Präsidium. Wenig später machten die Lehrerinnen an einem Kongress in Genf schweizweit Druck: Sie forderten die Zulassung zum Unterrichten auch an höheren Schulstufen, gleiche Löhne wie die Lehrer und den Einbezug von Frauen in die Schulbehörden.

Ermahnungen und Spott aus der Politik

Gundrum, die am Kongress teilnahm, brachte die Forderungen in die Basler Sektion ein und überzeugte die unterdessen 76 Mitglieder, eine Petition zu lancieren. Ein kühner Schritt, traten Frauen auf dem politischen Parkett Basels doch noch kaum in Erscheinung. Letztlich stimmten die Lehrerinnen den Forderungen nach gleichem Lohn sowie Zulassung zu den Schulinspektionen zu. Die grossrätliche Petitionskommission war alles andere als erfreut. Sie fühlte sich “behelligt” und belehrte die Lehrerinnen, dass “der Mann physisch und geistig leistungsfähiger” sei als die Frau. Die von Dr. Karl Burckhardt-Burckhardt präsidierte Kommission spielte die staatlichen Lehrerinnen auch gegeneinander aus, indem sie feststellte, dass nicht einmal die Hälfte der Lehrerinnen dem Verein angehöre.

Maria Gundrum, Ort und Datum unbekannt
Abb. 2: Maria Gundrum, Ort und Datum unbekannt (© Bayerische Staatsbibliothek München).

Das Votum des Rektors der Töchterschule, Dr. Largiadèr, verrät, dass es vor allem die älteren Berufsgenossinnen waren, die Angst um ihre Anstellung hatten und fanden, “so hätte man sich nicht vorwagen sollen.” Largiadèr, einer der beherzten Fürsprecher der Frauenforderungen, wies darauf hin, dass im Kanton Zürich die Lehrerinnen gleichgestellt seien.

Der Lehrerinnenverein erlitt im Grossen Rat eine Abfuhr. Gundrum war keine Frau des Bürgertums und fand zweifellos auch deshalb wenig Unterstützung. Zwar reichte in der Folge ein SP-Grossrat einen Vorstoss für “günstigere” Besoldungsverhältnisse der Lehrerinnen ein, das Anliegen blieb also auf dem Tisch. Unter den Lehrerinnen hing der Haussegen nach der missglückten Petition aber so schief, dass Gundrum das Präsidium an Rosa Preiswerk abgab. Deren reiferes Alter und ihre Herkunft aus angesehener Familie versprachen eine Beruhigung der Situation. Gundrum blieb jedoch Vorstandsmitglied und gab sich weiter kämpferisch.

Mitbegründerin der Schweizerischen Lehrerinnen-Zeitung

1896 erschien die erste Ausgabe der Schweizerischen Lehrerinnen-Zeitung. Maria Gundrum war Mitbegründerin und gehörte als einzige Baslerin während gut acht Jahren dem fünfköpfigen Redaktionsstab an. Erste Artikel von ihr galten noch der bildungspolitischen Gleichstellung, danach wandte sie sich der Kunstgeschichte zu. Sie besuchte Vorlesungen, nachdem ab 1890 auch die Basler Universität Frauen zugelassen hatte. Als Lehrerin kündigte sie 1902, weil ihr das Unterrichten an einer höheren Schulstufe verwehrt blieb.

Beitrag von Maria Gundrum in der Lehrerinnen-Zeitung vom 15. November 1898
Abb. 3: Beitrag von Maria Gundrum in der Lehrerinnen-Zeitung vom 15. November 1898.

Fortan verdiente sie ihren Unterhalt mit kunsthistorischen Reisen, Kursen und Artikeln und liess sich schliesslich in München, der Stadt ihrer Kindheit, nieder. Sie kehrte aber sporadisch nach Basel zurück, stellte hier Bilder aus und hielt Vorträge. Noch 1933 war sie an der Jahresversammlung der Basler Lehrerinnen Gastreferentin, und bis 1935 schrieb sie für die Lehrerinnen-Zeitung. Dann muss bekannt geworden sein, dass sie in München Beziehungen zu antisemitischen Kreisen pflegte, die Hitler zum Aufstieg verhalfen – allen voran der Verlegergattin Elsa Bruckmann – und dass sie für die Deutsche Arbeitsfront kunsthistorische Führungen übernahm. Dorothea Roth, die sich ausführlich mit Leben und Werk von Maria Gundrum befasst hat, ordnet sie “im breiten Mittelfeld der unkritischen Mitläufer” ein.

Maria Gundrum starb 1941, mitten im Zweiten Weltkrieg. Nachrufe finden sich weder in der Schweizerischen Lehrerinnen-Zeitung noch in Basler Zeitungen. Auch in den Jahresberichten und Protokollen des Basler Lehrerinnenvereins findet sich keinerlei Würdigung der Vereinsgründerin und streitbaren Vorkämpferin für die Gleichberechtigung. So blieb sie auch in der Basler Geschichte unerwähnt.

Quellen

Literatur

Dorothea Roth: Maria Gundrum, Malerin und Kunsthistorikerin. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, 1996, S. 147–224.

Staatsarchiv Basel-Stadt, Erziehungsakten M8, Mädchen-Sekundarschule, Bericht Maria Gundrum Schuljahr 1896/97.

Staatsarchiv Basel-Stadt, Privatarchive, Schweizerischer Lehrerinnenverein, Sektion Basel, 755 A4, Protokollbücher 1895–1915 und 1932-1945 sowie 755 C1, Jahresberichte 1937-1945.

Allgemeine Schweizer Zeitung, 12.6.1897; Vorwärts, 13.6.1897.

Abbildungen

Abb. 1: Maria Gundrum, 1910. Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv.

Abb. 2: Maria Gundrum, Datum und Ort unbekannt. Bayerische Staatsbibliothek München/Bildarchiv.

Abb. 3: Schweizerische Lehrerinnen-Zeitung, www.e-periodica.ch, 1. JG, Nr. 1, 31.10.1896 [20.04.2021].

Autor*in

Eva Gschwind ist Beauftragte für Öffentlichkeitsarbeit des Grossen Rates Basel-Stadt. Die Politologin arbeitet an einer Publikation inkl. Online-Datenbank zu den Basler Volksrechten. Sie ist Mitglied des Vereins Basler Geschichte.