Verflogenes Parfüm und verrauchtes Pulver
Der Basler Berufsdiplomat Sir Lukas Schaub (1690–1758, den Titel verdiente er sich in englischen Diensten), liess sich 1722 malen. Die Stadt Basel kaufte das Porträt 1771. Der Ankauf geschah aber nicht um der Kunst willen. Der Grund dafür lag vielmehr nicht weit rheinabwärts, bloss einen Kanonenschuss weit entfernt. Heute ist das alles nicht mehr bekannt.
Bild als Kunst, Bild als Zeugnis
Schrecken und Sorgen einer Zeit stecken unerkannt in so manchem Bild. Dessen war sich Georg Schmidt, Basler Kunstmuseumsdirektor von 1939 bis 1961, sehr bewusst, hatte er doch den Ankauf von “entarteter Kunst” veranlasst, welche die Nazis aus den deutschen Museen geräumt hatten und auf dem Kunstmarkt zu Geld machten. Aber Schmidt war Kunsthistoriker, nicht Historiker, und so war sein Gemäldeführer von 1964 durch das Basler Kunstmuseum reinste Kunstbetrachtung. Eines der 150 darin enthaltenen Werke ist das Portrait von Lukas Schaub.
So wortreich, wie sich Kunstbetrachtung auszudrücken pflegt, schrieb Schmidt: “Plastisches Volumen ist zu geistreich gebrochenen Linienwesen geworden.” Aber Schmidt hatte auch Witz und brachte den Rokoko-Stil des Bilds auf den Punkt: “Um das ganze Bild ist der Duft von Parfüm und Puder.” Parfüm und Puder… Vielleicht hätten Schaubs Zeitgenossen eher davon erzählt, dass sie bei diesem Bild Fische und Pulver rochen.
Der Lachsfangstreit
Für den Pulvergeruch sorgte die 1680–1691 erbaute Festung Hüningen. Sie war ein Angelpunkt des französischen Militärs und wies nachdrücklich darauf hin, wie übermächtig Frankreich war. Die Basler fühlten sich vom Bollwerk Hüningen und seiner Artillerie bedroht. Entsprechend schlecht war die Stimmung und böse ihr Gerede. Es war keine gute Nachbarschaft zwischen Festung und Stadt.
Auch die Hüninger und Basler Fischer waren sich nicht grün. Ständig stritten sie darüber, wer wo und wann im Rhein fischen durfte. Überdies änderten die neuen Uferbefestigungen bei Hüningen die Strömungsverhältnisse. 1736 kam es schliesslich zu einer Schlägerei unter den Fischern um die Lachsfanggründe, und aus der Schlägerei wurde eine Krise. Der König von Frankreich gab sich empört, liess die Grenze schliessen und Basler in Frankreich festsetzen. Die Basler fürchteten sogar eine militärische Bestrafungsaktion. Aber es blieb beim Säbelrasseln. Der Konflikt wurde 1737 diplomatisch gelöst. nicht zuletzt dank der Vermittlungsrolle des aus Basel stammenden englischen Diplomaten Lukas Schaub. Basel erhielt recht schnell wieder eine ruhige Grenze und ungestörten Warenverkehr. Frankreich wiederum hatte deutlich zu erkennen gegeben, dass die Basler sich mit dem leicht reizbaren Nachbarn gut stellen sollten.
Vergessen und Erinnern
Lukas Schaubs Porträt hängt immer noch im Kunstmuseum. Man muss es etwas suchen. Und in die neuen Kunstführer des Museums hat es keinen Eingang mehr gefunden. Schon Schmidts Beschreibung des Gemäldes hatte nicht von Bewunderung gezeugt, eher von Anerkennung für einen Malstil, der schon lange vergangen ist, so vergangen wie die Epoche des Rokoko. Eine Bildbeschreibung wie eine Beerdigung. Aber auch wie ein Echo einer Zeit, die längst vergangen und vergessen ist.
“Vergangen und vergessen”? Solange Geschichte geschrieben wird, ist nie über frühere Zeiten das letzte Wort gefallen, wird immer ihr Porträt erneuert. Allerdings: Wer alles im Gedächtnis behalten will, überflutet es. Geschichte schreiben ist zum grösseren Teil Vergessen und erst dann Erinnern. Es ist das gewissenhafte, an Tatsachen geknüpfte Aushandeln, worin die Gegenwart sich spiegeln kann und was ihr nahe geht – auch in der Fremdheit. Die sorgenbringende Festung Hüningen wurde 1815 geschleift und der Lachsfangstreit vergessen. Aber als eine Geschichte aus der Geschichte, zwischen Parfüm und Pulver, mag sie manchen eine Erinnerung wert sein.
Quellen
Das Portrait
Hyacinthe Rigaud (Perpignan 1659–1743 Paris)
Bildnis des Chevalier Lucas Schaub von Basel, 1722
- Öl auf Leinwand
- 81.8 x 64.5 cm
- Nicht bezeichnet
- Kunstmuseum Basel, Ankauf der Basler Regierung 1771
- Inv. 505
Literatur
Georg Schmidt: Kunstmuseum Basel. 150 Gemälde. Basel 1964.
Carl Wieland: Der Kleinhüninger Lachsfangstreit 1736. In: Basler Jahrbuch. 1889, S. 37–85.
Autor*in
André Salvisberg studierte Geschichte in Basel. Die kulturwissenschaftliche und archivarische Ausbildung setzt er in einer Stiftung und für das Kantonsparlament ein. Seine publizistische Tätigkeit fokussiert auf Basel und die Neuzeit, wobei er auch wiederholt als Redaktor wirkte. André Salvisberg ist Mitautor von Band 5 der neuen Basler Stadtgeschichte.