Jahresversammlung 2019 Themen.Bilder.Spannungsbögen
In aufgeräumter Stimmung ging sie über die Bühne, die diesjährige Jahresversammlung des Vereins Basler Geschichte. Sie konnte am 7. Mai im gediegenen Bürgergemeinderatssaal des Stadthauses durchgeführt werden. Verein und Projekt haben Fahrt aufgenommen.
Stadtgeschichten und die Öffentlichkeit
Der Verein konnte aus seiner Mitte mehrere Dutzend Kurzgeschichten zur Stadtgeschichte produzieren, Um die 40 Autorinnen und Autoren hatten sich daran beteiligt und es sollen nach der Sommerpause noch einige mehr dazu gekommen. Ein Teil davon wird demnächst in der bzBasel erscheinen und jeden Montag gelangt eine neue Geschichte auf die gemeinsame Webseite. Und im Juni steht ein wichtiger Workshop bevor, an dem Vorstand und Vereinsmitglieder Ideen für die künftige Öffentlichkeitsarbeit generieren. Die Stadt soll von der neuen Stadtgeschichte hören!
Konflikte und Kommunikation
Im Zentrum des Abends stellten sich die Verantwortlichen für die einzelnen Bände mit einigen ihrer Perspektiven auf die künftige Stadtgeschichte vor. Schon ein halbes Jahr nach ihrer Wahl zeigten die Historikerinnen und Historiker anhand je eines Bildes eine spannende Vielfalt an Zugriffen auf Basels Geschichte.
Die ersten beiden Bände umfassen die antike und frühmittelalterliche Zeit und entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Archäologischen Bodenforschung. Der Frühmittelalterband lockte mit dem erfrischend provokativen (Arbeits-)Titel: “Basilia – eine elsässische Bischofsstadt”. Das Mittelalter-Team fokussierte auf Krieg und Kloster: Wenn der mittelalterliche Krieg in seiner kulturgeschichtlichen Dimension ins Auge gefasst wird, gehören Konfliktlösungsstrategien, der Umgang mit den Kriegsfolgen aber auch die Geschichte der Kriegsbeuten mit dazu. Und das Kloster ist beträchtlich mehr als ein Ort frommen Rückzugs. Das Kloster Klingental etwa war auch ein “hotspot” des lokalen oder regionalen Adels, hier wurde verhandelt, geplant und lobbyiert.
In der Frühen Neuzeit boten sich Kneipen als “Kommunikationsräume” an. Ohne solche Räume hätten soziale Umbrüche kaum stattfinden können. Mit den Gasthäusern verbunden sind vielfältige Fragen zu damals gültigen sozialen und religiösen Normen, zu Rechtsvorstellungen, Konsumverhalten und anderem mehr. Der fünfte Band der Stadtgeschichte will sich der Entwicklung der ständisch geordneten und regierten Stadt zur “modernen” Stadt widmen. Dazu gehört einerseits die Öffnung nach aussen durch weltweite Handelsbeziehungen, aber andererseits auch der Rückzug auf sich selbst, wie er drastisch in der Kantonstrennung von 1833 fassbar wird. Neue reizvoll-schrullige Quellenbestände wie der “Ratsherrenkasten von Emanuel Burckhardt-(Sarasin)-Iselin können dazu erschlossen werden.
Aufbruch zur Gegenwart
Der nächste Band zum Zeitraum 1850 bis 1914 erhält den vorläufigen, bewusst auch irritierenden Arbeitstitel “Stadt im Aufbruch -Stadt der begrenzten Möglichkeiten” und erfährt in der Schwarz-Weiss-Fotografie seine anschauliche Repräsentanz, etwa in einer Foto eines Laternenanzünders auf dem weiten, fast leeren Münsterplatz: eine Zeit des Übergangs vom behäbigen zum grossstädtischen Basel.
Der siebte Band führt dann über zwei Weltkriege bis in den Kalten Krieg: Globale Ereignisse und Prozesse finden ihren lokalen Niederschlag, etwa in einer Foto, die Baslerinnen und Basler beim Blutspenden für Ungarn 1956 zeigt.
Eine Sonderstellung schliesslich nimmt der letzte chronologische Band ein, er behandelt die neuste Zeit, mithin die Gegenwart, über welche sich die künftigen Leserinnen und Leser als Zeitgenossen informiert fühlen. Er begeht deshalb einen eigenen Weg und will mit Hilfe von Grafiken und Netzwerk-Analysen die Dynamik verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben einer modernen Stadt aufzeigen.
Facettenreich und doch aus einem Guss
Und der thematische Band zur Geschichte des Basler Stadtraums? Er soll zeitlich versetzt erarbeitet werden und entsteht auf der Grundlage enger Gespräche mit allen andern Bandverantwortlichen, um die Schnittstellen mit den chronologischen Bänden zu klären und daraus die eigene Raumerzählung in Bild und Text zu entwickeln.
Bis im Herbst werden die differenzierten Gesamtkonzepte der einzelnen Bände vorliegen. Dabei ist ein zentrales Anliegen, dass alle Bände ein Sammelsurium verschiedener Aspekte und Perspektiven vermeiden und einen facettenreichen, aber kohärenten Bogen über ihre Epoche schlagen. Eine Basler Stadtgeschichte eben, wie man sie bisher noch nie lesen konnte.
Autor*in
Robert Labhardt, Dr., pens. Gymnasiallehrer, Präsident des Vereins Basler Geschichte.