Hundertjährige Unterhose wird zum Star
Auch bei Dingen aus Basel lohnt es sich, die Herkunft zu erforschen. So lüftet die Ausstellung «Zwölftausend Dinge» im Museum der Kulturen Basel das Geheimnis von Herrenkleidern aus den 1920er-Jahren. Und sie gibt Einblick in die damalige Geschäftswelt.
Was trug ein Basler Grossbürger zu Beginn des 20. Jahrhunderts? In der Ausstellung «Zwölftausend Dinge» im Museum der Kulturen Basel ist eine Herrenausstattung aus dieser Zeit zu sehen. Sie besteht aus Filzhut, Jacke, Hose, Hemd, Kragen, Weste, Socken, Schuhen und Unterhosen.
Die offensichtlich getragene Unterhose ist auf Anhieb zum Star der Ausstellung geworden. In den Medien, in den sozialen Medien und auch unter den ersten Besucher*innen hat sie am meisten Aufmerksamkeit erregt.

Bereits bei der Ausstellungsvorbereitung fiel sie Tabea Buri, Kuratorin der Abteilung Europa, ins Auge. Sie stellte fest, dass der Schritt mehrfach gestopft worden war, Knöpfe ersetzt worden waren und das Weiss an den Rändern vergilbt ist.
Aber die wichtigste Entdeckung war ein kleines Etikett, das bis dahin keine Beachtung gefunden hatte: Darauf ist ein schwungvolles E und H gezeichnet. Als Buri auch im Innern des Huts die gleichen Initialen und auf dem Hemd die gestickten Buchstaben «Hoffmann-Krayer» entzifferte, vermutete sie, die Kleidungsstücke hätten Eduard Hoffmann-Krayer gehört, dem damaligen Leiter der Abteilung Europa.

Buri forschte weiter und fand ihre Vermutung in der Weste bestätigt: Auf der Rückseite des Taillenriemens ist ein Etikett der Schneiderei Heusser eingenäht, auf dem gut leserlich der Name «Prof. Dr. Hoffmann Basel» steht. Inklusive dem Datum 7.7.1924.
Das skurrile an der ganzen Geschichte ist, dass der Eingang der Herrenausstattung 1932 zwar von Hoffmann-Krayer notiert worden war. Doch er hatte keine Angaben zum Besitzer gemacht.
Der Abteilungsleiter hatte also seine eigene, mindestens acht Jahre getragene Kleidung in die Sammlung «geschmuggelt». Was erst 100 Jahre nach der Herstellung des Anzugs dank Provenienzforschung ans Licht gekommen ist.

Die Etiketten in den Kleidern enthüllten ein Geheimnis, zugleich gewähren sie Einblick in ein Stück Basler Geschichte, in die Basler Geschäftswelt von damals. Wie bereits erwähnt stammen Jacke, Hose und Weste vom Herrenschneider J.E. Heusser. Hemd und Stehkragen kaufte Hoffmann-Krayer in der Chemiserie Georg Frankenbach. Eventuell auch die Socken und Unterhosen.
Anzeigen in damaligen Zeitungen ist zu entnehmen, dass die Chemiserie Geschäfte in der Aeschenvorstadt 42 und in der Sternengasse 10 besass. Sie war damals eines der grössten Kleider- und Wäschegeschäfte Basels. Sie warb u.a. damit, dass sie die wohl grösste Auswahl an Herren-Cravatten auf dem Platz Basel führe, und Touristenhemden. Was immer letzteres gewesen sein mag.
Seinen Hut erstand Hoffmann-Krayer in der Gerbergasse 48, in der Filiale der Chappellerie Kaller. Das Geschäft wurde später zu Fein-Kaller. 2011 schloss die Basler Filiale. Die Marke ist inzwischen aus der Modewelt verschwunden. Die Schuhe der Herrenausstattung stammen aus dem Schuhgeschäft J. Volpers-Barth, das am Heuberg 18 domiziliert war. Die schmalgeschnittenen, glänzenden Knöpfschuhe liessen bei Ausstellungsbesucherinnen die Frage aufkommen, ob das wirklich Herrenschuhe waren.
Institutionenporträt
Das Museum der Kulturen Basel ist das grösste ethnologische Museum der Schweiz. Seine Sammlung geniesst Weltruf. Sie zählt mehr als 340’000 Objekte, rund 300’000 Fotografien sowie 400 Filme und Tonaufnahmen. Die Ausstellungen behandeln zeitgenössische und alltägliche Themen.
Quellen
Abbildungen
Abb. 1-3: MKB, Omar Lemke.
Autor*in
Museum der Kulturen Basel