Hundertjährige Unterhose wird zum Star

Auch bei Dingen aus Basel lohnt es sich, die Herkunft zu erforschen. So lüftet die Ausstellung «Zwölftausend Dinge» im Museum der Kulturen Basel das Geheimnis von Herrenkleidern aus den 1920er-Jahren. Und sie gibt Einblick in die damalige Geschäftswelt.

Was trug ein Basler Grossbürger zu Beginn des 20. Jahrhunderts? In der Ausstellung «Zwölftausend Dinge» im Museum der Kulturen Basel ist eine Herrenausstattung aus dieser Zeit zu sehen. Sie besteht aus Filzhut, Jacke, Hose, Hemd, Kragen, Weste, Socken, Schuhen und Unterhosen.

Die offensichtlich getragene Unterhose ist auf Anhieb zum Star der Ausstellung geworden. In den Medien, in den sozialen Medien und auch unter den ersten Besucher*innen hat sie am meisten Aufmerksamkeit erregt.

Auf einem Podest liegen verschiedene Kleidungsstücke. Links ein grauer Kittel mit glänzendem braunem Futter, rechts daneben eine weisse Unterhose mit langen Beinen und drei Knöpfen am Schnitt. In der Mitte des Podests liegen in einer Reihe von links nach rechts ein paar schwarze Socken, eine graue zusammengefaltete Hose und ein brauner Hut mit Krempe und schwarzem Band. Im oberen Teil des Podest steht ein paar glänzende schwarze Schuhe, daneben ein weisser Hemdkragen und rechts daneben liegt ein weisses Hemd mit schwarzen Nadelstreifen.
Abb. 1: Die Unterhose der Herrenausstattung ist der heimliche Star der Ausstellung «Zwölftausend Dinge»

Bereits bei der Ausstellungsvorbereitung fiel sie Tabea Buri, Kuratorin der Abteilung Europa, ins Auge. Sie stellte fest, dass der Schritt mehrfach gestopft worden war, Knöpfe ersetzt worden waren und das Weiss an den Rändern vergilbt ist.

Aber die wichtigste Entdeckung war ein kleines Etikett, das bis dahin keine Beachtung gefunden hatte: Darauf ist ein schwungvolles E und H gezeichnet. Als Buri auch im Innern des Huts die gleichen Initialen und auf dem Hemd die gestickten Buchstaben «Hoffmann-Krayer» entzifferte, vermutete sie, die Kleidungsstücke hätten Eduard Hoffmann-Krayer gehört, dem damaligen Leiter der Abteilung Europa.

Bei einem gefalteten, braun-beigen Kleidungsstück ist ein Teil eines Saumes hochgeklappt. Dort ist mit groben Stichen eine weisse Etikette angehängt, auf der in schwarzer Schrift steht «Prof. Dr. Hoffmann, Basel». Darunter steht die Ziffer 975 und daneben das Datum 7. VII. 24.
Abb. 2: Enthüllende, noch gut leserliche Etikette in der Weste

Buri forschte weiter und fand ihre Vermutung in der Weste bestätigt: Auf der Rückseite des Taillenriemens ist ein Etikett der Schneiderei Heusser eingenäht, auf dem gut leserlich der Name «Prof. Dr. Hoffmann Basel» steht. Inklusive dem Datum 7.7.1924.

Das skurrile an der ganzen Geschichte ist, dass der Eingang der Herrenausstattung 1932 zwar von Hoffmann-Krayer notiert worden war. Doch er hatte keine Angaben zum Besitzer gemacht.

Der Abteilungsleiter hatte also seine eigene, mindestens acht Jahre getragene Kleidung in die Sammlung «geschmuggelt». Was erst 100 Jahre nach der Herstellung des Anzugs dank Provenienzforschung ans Licht gekommen ist.

In der Mitte des Bildes steht ein Paar schwarz-glänzende Schuhe. Es handelt sich um eine Art Stiefeletten, die mit sechs Knöpfen zugemacht werden. Rechts davon liegen zwei dunkle Kleidungsstücke, von denen nur ein Teil zu sehen ist und auch das nur verschwommen. Links hinter den Schuhen liegt ein weisses Hemd mit schwarzen Streifen.
Abb. 3: Die Schuhe wirken zeitlos und könnten heutige Unisex-Modelle sein

Die Etiketten in den Kleidern enthüllten ein Geheimnis, zugleich gewähren sie Einblick in ein Stück Basler Geschichte, in die Basler Geschäftswelt von damals. Wie bereits erwähnt stammen Jacke, Hose und Weste vom Herrenschneider J.E. Heusser. Hemd und Stehkragen kaufte Hoffmann-Krayer in der Chemiserie Georg Frankenbach. Eventuell auch die Socken und Unterhosen.

Anzeigen in damaligen Zeitungen ist zu entnehmen, dass die Chemiserie Geschäfte in der Aeschenvorstadt 42 und in der Sternengasse 10 besass. Sie war damals eines der grössten Kleider- und Wäschegeschäfte Basels. Sie warb u.a. damit, dass sie die wohl grösste Auswahl an Herren-Cravatten auf dem Platz Basel führe, und Touristenhemden. Was immer letzteres gewesen sein mag.

Seinen Hut erstand Hoffmann-Krayer in der Gerbergasse 48, in der Filiale der Chappellerie Kaller. Das Geschäft wurde später zu Fein-Kaller. 2011 schloss die Basler Filiale. Die Marke ist inzwischen aus der Modewelt verschwunden. Die Schuhe der Herrenausstattung stammen aus dem Schuhgeschäft J. Volpers-Barth, das am Heuberg 18 domiziliert war. Die schmalgeschnittenen, glänzenden Knöpfschuhe liessen bei Ausstellungsbesucherinnen die Frage aufkommen, ob das wirklich Herrenschuhe waren.

Institutionenporträt

Das Museum der Kulturen Basel ist das grösste ethnologische Museum der Schweiz. Seine Sammlung geniesst Weltruf. Sie zählt mehr als 340’000 Objekte, rund 300’000 Fotografien sowie 400 Filme und Tonaufnahmen. Die Ausstellungen behandeln zeitgenössische und alltägliche Themen.

Quellen

Abbildungen

Abb. 1-3: MKB, Omar Lemke.

Autor*in

Museum der Kulturen Basel