Fräulein Rubinstein und Fräulein von Salis oder: Herkunft nützt
Erst 1890 und auf Druck der Erziehungsdirektion liess die Universität Basel Frauen zum Studium zu. Frühere Anträge wurden abgewiesen; so auch der Antrag eines Fräulein Rubinstein aus Frankfurt und der später als Feministin bekannten ersten Schweizer Historikerin Meta von Salis.
Ein Antrag auf Immatrikulation
Am 23. Februar 1885 fragt die Zürcher Studentin der Geschichtswissenschaft Meta von Salis bei der Philosophischen Fakultät der Universität Basel an, ob sie im nächsten Sommer in Basel studieren dürfe. Sie wünschte, “weil spezielle historische Studien verfolgend, aufs dringlichste, die Vorträge Prof. Jacob Burckhardts geniessen zu können”. Meta von Salis wusste, dass Basel, wie sie schrieb, bisher “keine Damen zur Immatrikulation zugelassen hat”. Aber wusste sie auch, dass gerade Jakob Burckhardt die Anfrage eines Fräulein Rubinstein aus Frankfurt 1874 abgelehnt hatte? Rubinstein wollte bei Friedrich Nietzsche promovieren. Während Nietzsche der Anfrage positiv gegenüber stand, gehörte Burckhardt zur Fakultätsmehrheit, die Rubinstein – über deren Werdegang allerdings bis heute sehr wenig bekannt ist – den Zugang verweigerte.
Gegen “gelehrte Schönheiten”
An der Universität Zürich studierten Frauen bereits seit den 1840er-Jahren. Seit den 1860er-Jahren konnten sie sich immatrikulieren und Examen ablegen. An den Universitäten, Bern, Genf, Lausanne und Neuenburg waren sie seit den 1870er-Jahren zu Studium zugelassen. Einzig die Universität Basel hatte Gesuche von Frauen stets abgelehnt. Erst 1890 gab man dem Druck der Erziehungsdirektion nach, die erste Studentin – die Baslerin Emilie Frey – zu immatrikulieren.
Begründet hatte man die späte Zulassung in Basel einerseits mit “prinzipiellen Erwägungen”, damit dass die Platzverhältnisse es nicht zuliessen, Frauen aufzunehmen, oder einfach mit der Abneigung gegen “gelehrte Schönheiten”.
Auch war die Tatsache, dass hauptsächlich ausländische Frauen zum Studium in die Schweiz kamen, ein Grund restriktiv vorzugehen. Den Anfang des Frauenstudiums hatten nämlich in Zürich Frauen aus dem Russischen Reich gemacht. Andere Ausländerinnen folgten, waren doch die Schweizer Universitäten die einzigen im deutschsprachigen Raum, an denen Frauen im 19. Jahrhundert studieren konnten. Diesen Zustrom wollte Basel verhindern. Selbst als 1890 auch die Universität Basel Frauen zum Studium zuliess, galt das zunächst nur für Schweizerinnen bzw. für Frauen, die in Basel ihre Schulausbildung genossen hatten.
Meta von Salis
Meta von Salis, die seit 1883 an der Universität Zürich Geschichte und Philosophie studierte, stammte aus einer aristokratischen Bündner Familie. Sie hatte sich schon früh gegen die Benachteiligung von Frauen gewehrt und war es gewohnt, selbstbewusst Neuland zu betreten. Zudem konnte sie auf prominente Unterstützung zählen: Ihr Zürcher Philosophieprofessor Ludwig Kym hatte sich in einem Brief bei Burckhardt für seine Studentin verwendet.
Meta von Salis war aber nicht nur eine besonders geschätzte Studentin, sondern auch eine enge Freundin vom Kyms Tochter Hedwig. Meta von Salis und Hedwig Kym hatten sich in der Vorlesung von Ludwig Kym kennengelernt. Aus dieser Freundschaft wurde eine Lebensgemeinschaft, die auch anhielt, als Hedwig Kym 1910 im Alter von 50 Jahren den Basler Nationalrat Ernst Feigenwinter heiratete und nach Basel zog. Meta von Salis, inzwischen eine bekannte Feministin, wohnte danach zusammen mit dem Ehepaar Feigenwinter am Heuberg 12 in Basel.
Vor verschlossener Tür
Jacob Burckhardt gab sich alle Mühe den Bitten des Kollegen entgegenzukommen. Da er befürchtete, nicht rechtzeitig aus der Vorlesung an die Regenzsitzung zu gelangen, hielt er gegenüber dem Dekan schriftlich fest, dass er die Zulassung von Meta von Salis zu seinen Vorlesungen befürwortete. Seine Fürsprache hatte keinen Erfolg. Enttäuscht schrieb er seinem Kollegen nach der deutlichen Ablehnung des Antrags durch die Regenz: “Mir thut es insbesondere Leid, daß in einem so gut prädicirten Falle, welchem ich volle Gewährung gewünscht hätte, die Abweisung geschehen ist”.
Woher aber kam der Gesinnungswandel des sonst so konservativen Burckhardt? Ganz sicher trug die Herkunft der Meta von Salis in diesem Fall zu Burckhardts Wohlwollen bei. Dass andererseits im Falle Rubinstein wohl auch der jüdische Name zur Ablehnung beigetragen hatte, ist eine blosse Vermutung. Allerdings sind Burckhardts heftige antijüdische Reflexe aus seinen Briefen bekannt.
Meta von Salis schloss ihr Studium in Zürich ab. Am Vorschlag des Basler Dekans, sie solle doch “Herrn Prof. Burckhardt bitten, eine Vorlesung für Damen zu halten”, dürfte sie also kaum Interesse gehabt haben.
Quellen
Literatur
Universität Basel (Hrsg.), 100 Jahre Frauen an der Uni Basel. “d’Studäntin kunnt!”: Katalog zur Ausstellung von HistorikerInnen und StudentInnen des Historischen Seminars der Universität Basel (Basel 1991).
Brigitta Klaas Meilier, Hochsaison in Sils-Maria. Meta von Salis und Friedrich Nietzsche: zur Geschichte ihrer Begegnung (Basel 2005).
Verena Parzer Epp u. a. (Hrsg.), Wegbereiterinnen der modernen Schweiz. Frauen, die die Freiheit lebten (Zürich 2014).
Abbildungen
Abb. 1 (Brief Meta von Salis): Staatsarchiv Basel-Stadt, Universitätsarchiv, Allgemeines und Einzelnes I, 6 Frauenstudium.
Abb. 2 (Die gelehrte Frau): Ramberg, Johann Heinrich, 1763-1840, Hannover, Landesmuseum, © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK.
Abb. 3 (Meta von Salis 1875): The History Collection / © Alamy Stock Foto
Autor*in
Regina Wecker ist emeritierte Professorin für Frauen- und Geschlechtergeschichte der Universität Basel. Sie forscht und schreibt insbesondere zu Schweizer Geschichte, Basler Geschichte, Rechtsgeschichte, Geschichte der Eugenik und des Staatsbürgerrechts. Sie ist Präsidentin des Stiftungsrats Stadt.Geschichte.Basel.