Auf den Spuren des Kolonialismus in der Stadt

Auf den Spuren des Kolonialismus – Ein Rückblick auf die Premiere des neusten Frauenstadtrundgangs

Es ist ein sonniger Nachmittag im Mai 2024. Zwei grosse Gruppen interessierter Menschen machen sich auf zu einem Spaziergang, der vom Museum der Kulturen über das “Haus zum Fälkli” zur Alten Universität und über die Spiegelgasse bis zum Spalenberg führt. Was diese gewöhnlichen Standorte miteinander verbindet, ist neben ihrer zentralen Lage auch der Kolonialismus.

Der Verein Frauenstadtrundgang hat in seinem neusten Rundgang koloniale Verstrickungen der Stadt Basel zum Thema gemacht. Das Interesse ist gross, denn obschon sich die historische Forschung seit mehr als 20 Jahren mit der Aufarbeitung der Kolonialgeschichte beschäftigt, sind die Erkenntnisse noch nicht allgemein bekannt. Mit “verstrickt, verborgen, vergessen – Wie Basels Kolonialgeschichte die Gegenwart prägt” ist ein Rundgang entstanden, der schon lange ein Bedürfnis im Verein und offenbar auch der Öffentlichkeit war.

Im Schatten der Bäume auf dem Münsterplatz diskutieren die Teilnehmenden angeregt über die Verpackung einer Tafel Bio-Schokolade und sind damit mitten im Thema. Der Konsum von Kolonialwaren in Basel bietet einen greifbaren Einstieg in die teilweise sehr komplexe Thematik. Beim ersten Halt, dem Museum der Kulturen, geht es um Provenienzforschung, denn die Sammlung des Museums beinhaltet über 340’000 Objekte aus allen Kontinenten. Die Rundgangsleiter*innen weisen darauf hin, dass eine derart grosse Sammlung keineswegs selbstverständlich ist. So besitzen umgekehrt beispielsweise Museen in Ghana keine Vielzahl an Schweizer Objekten. Solche Perspektivwechsel helfen, die frappanten Unterschiede in alltäglichen Strukturen zu erkennen, deren Ursprung und Verborgenheit viel mit den Spuren des Kolonialismus zu tun haben.

Zwei Rundgangsleiterinnen bei einer Theatereinlage beim Rundgang, im Hintergrund ein BVB Tram.
Abb. 1: Theaterszene bei der Station zur Auswanderung.

Nachdem sich die Gruppe die Geschichte der Schwarzen Haushälterin Ganamee und eines Basler Gelehrten, der sich als Scheich ausgab, angehört hatte, geht es bei der vorletzten Station um Migration. Der berühmte Topos der Schweizer Neutralität hat sehr lange für eine reine Weste gesorgt, wenn Kritik an der kolonialen Vergangenheit Europas laut wurde. Doch neben dem Söldnertum war auch Migration eine Form der Beteiligung an kolonialen europäischen Unterfangen. Im 18. und 19. Jahrhundert wanderten viele Basler Bürger*innen in die USA aus und wurden dabei teilweise sehr grosszügig finanziell unterstützt. Obwohl die Schweizer «Kolonien» unter militärischer Hoheit anderer Mächte standen, gab es durchaus Ambitionen eigene Kolonien zu begründen.

Anzeige mit Preisen für die Überfahrt nach Amerika in Basel um 1845.
Abb. 2: Anzeige mit Preisen für die Überfahrt nach Amerika in Basel um 1845.

Die Gruppen haben sich beim “Gemsberg”-Brunnen eingefunden, wo die Eindrücke der vergangenen 90 Minuten bei einem Apéro diskutiert werden. Es besteht grosse Einigkeit darüber, dass noch viel geschehen muss, bevor die Schweiz ihre Geschichte neu erzählt und dabei koloniale Beteiligungen selbstverständlich einbezieht.

Gruppe von Zuschauer*innen hört sich die Station zu Ganamee an. Die Gruppe steht nahe zusammen in der Altstadt.
Abb. 3: Station zu Ganamee.

Der Verein Frauenstadtrundgang bedankt sich ganz herzlich bei der Stadt.Geschichte.Basel für die Unterstützung des Rundgangs!

Institutionenporträt

Der Verein Frauenstadtrundgang vermittelt Stadtgeschichte aus anderer Sicht. An längst vergessenen Schauplätzen erzählen wir vom vielfältigen Wirken der Basler:innen und nehmen das Publikum mit auf eine Reise durch die Frauen- und Geschlechtergeschichte – abwechslungsreich, unterhaltsam und leicht verständlich.

Autor*innenporträt

Sven Staub studiert Geschichte und Philosophie an der Universität Basel. Er ist wissenschaftlicher Hilfsassistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Lucas Burkart und seit 2022 Mitglied im Verein Frauenstadtrundgang. Sven Staub leitet sechs verschiedene Rundgänge.

Quellen

Abbildungen

Abb. 1: Frauenstadtrundgang Basel

Abb. 2: Max Bächlin: Briefe aus Amerika Eine Basler Familie wandert 1845 nach den Vereinigten Staaten aus, in: Basler Stadtbuch, 1964, S. 181.

Abb. 3: Frauenstadtrundgang Basel

Literatur

David, Thomas; Etemad, Bouda; Althaler, Birgit u. a.: Schwarze Geschäfte: die Beteiligung von Schweizern an Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert, Zürich 2005.

Kreis, Georg: Blicke auf die koloniale Schweiz: ein Forschungsbericht, Zürich 2023. Purtschert, Patricia; Lüthi, Barbara; Falk, Francesca u. a.: Postkoloniale Schweiz: Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, Bielefeld 2014.