Ein Kamel aus römischer Zeit

Veröffentlicht am 18.12.2019, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Römische Zeit und Spätantike

2018 wurden bei einer Rettungsgrabung im Spiegelhof, dem Verwaltungsgebäude der Kantonspolizei Basel-Stadt, in den spätantiken Schichten die Reste eines Kamelunterkiefers entdeckt. Bereits beim Bau des Spiegelhofs vor 80 Jahren hatte man ein Kieferfragment eines Kamels gefunden. Der Vergleich der Funde zeigte, dass die Kieferfragmente zusammenpassen. Der Fund der Kamelknochen fügt sich in eine Reihe seltener Funde aus der Spätantike (+/- 280 bis +/- 450 n. Chr.) ein.

Ein Kamel aus römischer Zeit

Bei den archäologischen Untersuchungen in der ehemaligen Einstellhalle des Spiegelhofes kamen viele wichtige Funde von der Spätantike bis zur Neuzeit zum Vorschein. Höchst aufschlussreich waren die Siedlungsspuren aus dem 11./12. Jahrhundert, die ein neues Bild von den bis anhin weitgehend unbekannten Anfängen der mittelalterlichen Stadt Basel vermitteln.

Unterhalb einer neu entdeckten römischen Strasse kamen Teile eines Kamelunterkiefers zum Vorschein. Bereits der Bau des Spiegelhofs 1937–1939 hatte grossflächige archäologische Ausgrabungen ausgelöst. Das Ausgrabungstagebuch von damals berichtet unter anderem vom Fund eines Kieferfragmentes und eines Speichenknochens eines Kamels – nur wenige Meter von der heutigen Ausgrabungsfläche entfernt.

Die Knochen aus der Altgrabung wurden ins Naturhistorische Museum Basel gebracht und dort aufbewahrt. Beim Vergleich der beiden Unterkieferfragmente zeigte sich, dass sie vom selben Tier stammen! Nachdem die Knochen vor über 1500 Jahren in den Boden gelangten, konnte der schon in römischer Zeit zerbrochene Unterkiefer wieder zusammengefügt werden.

Die Teile des Kamelunterkiefers
Die Teile des Kamelunterkiefers – gefunden mit 80 Jahren Abstand – passen aneinander. Das hellere Stück in der Mitte stammt aus der Altgrabung. Foto: Philippe Saurbeck, Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt.

Dromedar- und Kamelfunde

Funde von Kamel- und Dromedarknochen sind in der Schweiz selten. Bislang gibt es nur drei weitere Funde aus römischer Zeit, die die Anwesenheit von Kamelen und Dromedaren bestätigen. Einer davon stammt aus dem Kastell bei Kaiseraugst, zwei weitere – ein Oberkieferfragment (unklar ob Dromedar oder Trampeltier) und ein Mittelhandknochen eines Dromedars – wurden im Umfeld des römischen Legionslagers in Vindonissa, dem heutigen Windisch, geborgen.

Die in Basel aufgedeckten Knochen gehören zu einem Baktrischen Kamel, auch Trampeltier genannt. Wie der Fund aus Basel datieren die meisten Kamelknochenfragmente aus anderen bekannten europäischen Fundstellen in die Spätantike. Auffällig ist, dass Überreste von Dromedaren vermehrt in Westeuropa, diejenigen von Trampeltieren dagegen öfter in Osteuropa entdeckt werden. Diese unterschiedliche Verbreitung könnte mit der unterschiedlichen Herkunft der Tiere erklärt werden: die Heimat der Baktrischen Kamele liegt in Asien, wohingegen die Dromedare erstmals auf der arabischen Halbinsel domestiziert wurden und wahrscheinlich per Schiff nach Spanien und an die Westküste Frankreichs gelangten.

Was macht ein Kamel in Basel?

Kamele und Dromedare wurden im Römischen Reich sowohl im zivilen wie im militärischen Bereich vielseitig eingesetzt: sei es für den Transport von Waren, Nahrungsmitteln, Briefpost oder militärischer Ausrüstung. Nachgewiesen sind zudem sogenannte dromedarii (Kamelreiter) als Teil der Kohorten in Ägypten (156 n. Chr.) und in Dura-Europos (frühes 3. Jahrhundert) im Mittleren Osten.

Die Tiere fanden aber auch im landwirtschaftlichen Bereich Verwendung: so ist auf einem Monument in Libyen aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. ein Dromedar dargestellt, das einen Pflug zieht. Schriftliche Quellen beschreiben ferner den Konsum von Kamelmilch und Fleisch. In Belgien (Arlon) fanden sich an der Tibia – dem Schienbein – eines Dromedars Sägespuren, was auf eine Weiterverarbeitung der Knochen hinweist. Möglicherweise wurden die seltenen Tiere auch als Kuriosum in zivilen Siedlungen gehalten. Belegt ist mittels einer Tontafel aus Tunesien ferner, dass sie im Circus vor die Rennwagen gespannt wurden.

Vielleicht diente das “Basler Kamel” als Lasttier für Waren, die bei der im Bereich des Spiegelhofes vermuteten Strassenstation umgeschlagen wurden. Belegen lässt sich das aber nicht.

Afrikanische Keramik auf dem Münsterhügel

Der Kamelknochen, der aus heutiger Sicht etwas kurios wirkt, fügt sich in eine Reihe von seltenen archäologischen Funden aus Basel ein. Verschiedene spätantike Funde aus Basel zeigen, dass bereits damals Handelskontakte in ferne Länder bestanden.

Fragment einer dünnen Porphyrplatte
Fragment einer dünnen Porphyrplatte. Foto: Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt.

Bei Grabungen im Bereich der Martinsgasse stiessen Archäolog*innen in den vergangenen Jahren bereits mehrmals auf afrikanische Keramik, beispielsweise die Fragmente einer Amphore und Scherben eines Tellers sowie einer Schale aus afrikanischer Terra Sigillata. Die Keramik wurde von der Machart und Tonart her eindeutig in Afrika produziert. Aufgedeckt wurde auch das Fragment einer dünnen Steinplatte aus rotem Porphyr oder Purpurstein. Bei dieser könnte es sich um ein Stück einer ehemaligen Wand- oder Bodenverkleidung handeln. Dieser sogenannte porfido rosso antico stammt höchstwahrscheinlich aus der östlichen Wüste Ägyptens, wo am Mons Porphyrites Porphyr-Steinbrüche aus römischer Zeit bekannt sind. Das Stück wurde wahrscheinlich dort abgebaut.

Die afrikanische Keramik und das ägyptische Porphyr-Fragment beweisen, dass es in jener Zeit Handelsbeziehungen mit diesen Ländern gab. Mit Blick auf diese weitgehenden Handelsbeziehungen ist es für Archäolog*innen deshalb wenig überraschend, dass auch ein Kamel seinen Weg nach Basel fand.

Importe aus dem Mittelmeerraum in spätrömischer Zeit: feines Tafelgeschirr - sogenannte Sigillata - und Amphoren aus Nordafrika, Amphoren aus Ephesos (Türkei) und Amphoren aus Südspanien
Importe aus dem Mittelmeerraum in spätrömischer Zeit: feines Tafelgeschirr – sogenannte Sigillata – und Amphoren aus Nordafrika, Amphoren aus Ephesos (Türkei) und Amphoren aus Südspanien. Foto: Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt.

Quellen

Literatur

M. Asal (2017) Das spätantike Basel. Materialhefte zur Archäologie in Basel; Heft 24, Band A, Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt.

S. Deschler-Erb, Ö. Akeret (2010) Archäobiologische Forschungen zum römischen Legionslager von Vindonissa und seinem Umland : Status quo und Potenzial. Jahresbericht / Gesellschaft Pro Vindonissa, S. 13-36.

F. Dövener, C. Oelschlägel, H. Bocherens (2017) Kamele im westlichen Treverergebiet – ein nahezu vollständig erhaltenes Dromedar aus dem Vicus Mamer-Bartringen (Luxemburg). Archäologentage Otzenhausen 4, S. 187-204.

F. Pigiére, D. Henrotay (2012) Camels in the northern provinces of the Roman Empire. Journal of Archaeological Science 30, S. 1-9.

W. Tomczyk (2016) Camels on the Northeastern Frontier of the Roman Empire. Papers form the Institute of Archaeology, 26 (1), S. 1-13.

Autor*in

Sarah Wicki war Mitarbeiterin auf der Ausgrabung beim Spiegelhof und ist Mitarbeiterin der Abteilung Vermittlung der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt. Für eine Medienmitteilung zur Entdeckung des Kamelunterkiefers beschäftigte sie sich intensiv mit dem Thema.