Basel zur Zeit der Münsterweihe 1019: Rätsel Nr. 3 Wie kam Basel zum Heiligen Römischen Reich?
80 Jahre lang – von 926 bis 1006 – gehörte Basel zum Königreich Burgund. Einige Jahre vor der Münsterweihe wurde es Teil des Heiligen Römischen Reichs, regiert von Heinrich II. Wie kam es dazu? Oft liest man, der burgundische König Rudolf III. habe Heinrich die Stadt als Faustpfand auf das burgundische Erbe übertragen. Steckte mehr dahinter?
Es begann mit einem Kloster…
999 übertrug Rudolf III., der letzte souveräne burgundische König, dem Basler Bischof Adalbero II. das Kloster Moutier-Grandval im heutigen Berner Jura. Die Benediktinerabtei war aufgrund ihrer Lage zwischen dem Elsass und den Jurapässen bedeutsam. Die Schenkung festigte die weltliche Macht des Basler Bischofs, denn mittelalterliche Herrschaft beruhte vor allem auf der Verfügungsgewalt über Verkehrswege und Ressourcen und weniger auf territorial abgegrenzte Flächen.
Der kinderlose König
Nach gängiger Geschichtsschreibung soll Rudolf die Stadt Basel seinem Neffen, dem römisch-deutschen König Heinrich II., 1006 als Pfand übertragen haben. Als Gegenleistung gab Heinrich ihm die Zusage, dass er nach Rudolfs Tod dessen Herrschaftsgebiete übernehmen werde. Zu diesem Zeitpunkt – so die gängige Lehre – scheint sich abgezeichnet zu haben, dass Rudolf kinderlos bleiben wird; und Heinrich war sein einziger männlicher Verwandter.
Allerdings war auch Heinrich kinderlos, und Rudolf schloss 1011 eine zweite Ehe, aus der unter Umständen noch Kinder hätten hervorgehen können. Das macht die Sache nicht ganz eindeutig. Auch Rudolfs Hofchronist Thietmar von Merseburg erwähnt Basel als Pfand auf das burgundische Erbe nicht.
Als Beleg für die Pfand-These wird häufig ein Eintrag in den Annalen des Klosters Einsiedeln zum Jahr 1006 herangezogen: “König Heinrich kam ins Reich der Burgunder und eignete sich die Stadt Basel für seine Herrschaft an”. Dieser Satz gibt aber weder Rudolfs Kinderlosigkeit als Motiv an noch erwähnt er Rudolfs Einverständnis, die Stadt an Heinrich zu übertragen. Dass Basel als Pfand an das Heilige Römische Reich ging, muss folglich eine These bleiben. Auch darf der Satz deshalb nicht überinterpretiert werden, weil er nichts über Art, Sinn, Erfolg und Konsequenzen von Heinrichs “Aneignung Basels” aussagt (und wir darüber auch aus keiner anderen Quelle Informationen gewinnen können). Zudem müssen wir – wie bei jeder Quelle – den Kenntnisstand und die Absicht des Verfassers hinterfragen.
Konflikte am Oberrhein
Bei der römisch-deutschen Königswahl 1002 unterstützte Bischof Adalbero Heinrich gegen einen Mitbewerber, den Herzog von Schwaben. Als Dank erhielt er von Heinrich vormals schwäbische Besitzungen im Breisgau und im Oberelsass. Über die Zeit scheint sich eine persönliche Bindung zwischen Heinrich und Adalbero aufgebaut zu haben. Solche Bindungen waren im Mittelalter häufig wichtiger als die rechtliche Stellung eines Territoriums bzw. eine exakte Grenzziehung.
Zuvor hatte sich im 10. Jahrhundert das politische Zentrum des Herzogtums Schwaben von der heutigen Ostschweiz ins Elsass verlagert, wogegen sich die Bischöfe von Strassburg und Basel wehrten. Der Herzog von Schwaben plünderte in seinem Kampf gegen Heinrich 1002 sogar das Strassburger Münster.
Die Annäherung Basels an das Heilige Römische Reich liesse sich demzufolge eher auf den Widerstand des Basler Bischofs gegen das Vorrücken des Herzogtums Schwaben nach Westen zurückführen. Heinrich teilte mit dem Bischof die Feindschaft gegen den schwäbischen Herzog, während der Burgunderkönig zu schwach war, um diesem etwas entgegenzusetzen. Die Münzprägungen durch Heinrich in Basel, seine Stiftsgeschenke bei der Münsterweihe 1019 und die an Adalbero verliehenen Privilegien im Breisgau und im Elsass zeugen von der wachsenden Annäherung von König und Bischof.
Eine Stadt emanzipiert sich
Man kann somit zu der Annahme gelangen, 1006 habe weniger mit der später tatsächlich erfolgten Erbübertragung des Königreichs Burgunds an Heinrich zu tun als vielmehr mit der persönlichen Beziehung zwischen dem Basler Bischof und Heinrich. Oder anders gesagt: die Annäherung Basels an das Heilige Römische Reich hinge vielmehr damit zusammen, dass die lokalen Kräfte in der Oberrheinebene gegen die schwäbischen Machtambitionen aufbegehrten.
Zudem war die Diözese Basel bereits länger für die geistlichen Belange der Elsässer Bevölkerung zuständig und schon deshalb für Heinrich relevant. Heinrich interessierte sich möglicherweise eher für das Bistum Basel und die enger werdende Bindung zum Basler Bischof als für die politische Einverleibung des Stadtgebiets in das Reich. Dann hätten wir es 1006 nicht mit einer Übertragung der Stadt Basel als Pfand von einem König an den anderen zu tun, sondern mit einer frühen Emanzipation des Fürstbistums Basel vom Königreich Burgund.
Diese Emanzipation hätte bereits mit der römisch-deutschen Königswahl 1002 begonnen, nur drei Jahre, nachdem der burgundische König mit der Schenkung von Moutier-Grandval den Grundstein für die Macht des Basler Bischofs gelegt hatte. Dazu würde passen, dass sich Basel auch in den nachfolgenden Jahrhunderten nie wieder einer Regionalmacht unterwarf, sondern eigenständig blieb.
Quellen
Literatur
Die Annalen des Klosters Einsiedeln, hg. Conradin von Planta (MGH SS rer. Germ. 78), Hannover 2007.
Dendorfer, Jürgen: Basel zwischen Burgund und dem ostfränkischen Reich, in: Fehlmann, Marc/Matzke, Michael/Söll-Tauchert, Sabine (Hg.): Gold und Ruhm. Kunst und Macht unter Kaiser Heinrich II. [Katalog zur Ausstellung Historisches Museum Basel 11.10.2019–19.1.2020], München 2019, S. 60–66.
Matzke, Michael: Heinrich II. erwirbt Basel – die Quellen, in: Fehlmann, Marc/Matzke, Michael/Söll-Tauchert, Sabine (Hg.): Gold und Ruhm. Kunst und Macht unter Kaiser Heinrich II. [Katalog zur Ausstellung Historisches Museum Basel 11.10.2019–19.1.2020], München 2019, S. 98f.
Morerod, Jean Daniel/Favrod, Justin: Entstehung eines sozialen Raumes (5.–13. Jahrhundert, in: Die Geschichte der Schweiz, hg. v. Georg Kreis, Basel 2014.
Steinmann, Martin: Von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, in: Kreis, Georg/von Wartburg, Beat (Hg.): Basel – Geschichte einer städtischen Gesellschaft, Basel 2000, S. 11–36.
Abbildungen
Abb. 1: Adalbero II.: 01/02/2018 | © 2018 TuK Bassler – CC-BY-SA 4.0
Autor*in
Thomas Brändle erwarb den Bachelor in Germanistik und Geschichte in Freiburg im Breisgau., wo er als Tutor und studentische Hilfskraft in der germanistischen Mediävistik tätig war. Derzeit befindet er sich im Masterstudium an der Universität Basel. Daheim in beiden Städten der Oberrheinregion interessiert er sich besonders für deren wachsende Relevanz im hohen Mittelalter und den damit zusammenhängenden politischen Faktoren.