Basel zur Zeit der Münsterweihe 1019: Rätsel Nr. 1 Wie sah die Region rund um Basel aus?

Veröffentlicht am 7.10.2020, zuletzt geändert am 31.1.2024 #Mittelalter

Zur Zeit der Münsterweihe in Basel um 1019 begannen Adlige im Umland von Basel, sich repräsentative Wohnbauten in erhöhter Lage zu bauen. Da eine Burg verschiedene Funktionen erfüllte, finden sich auf Burgen nicht nur Nachweise für den adligen Lebensstil, sondern auch regelmässig Belege für handwerkliche und landwirtschaftliche Tätigkeiten. Zeitgleich bestanden im Umland von Basel mehrere Siedlungen mit Handwerks- und Wohnbauten aus Holz, in denen Produkte für den täglichen Bedarf hergestellt wurden.

Frühe Burgen …

Im 11. Jahrhundert stand der klassische Burgenbau noch ganz am Anfang, bevor er in den nachfolgenden Jahrhunderten regelrecht “boomte”. Entsprechend gering sind die eindeutigen Nachweise von Burgen aus jener Zeit. Wobei sich die Frage stellt, ob dies nicht eher der Überprägung durch spätere Bauten und dem vielfach verwendeten, vergänglichen Baumaterial Holz geschuldet ist.

Ohne archäologische Ausgrabungen lassen sich frühe Burgen meist nicht belegen, auch wenn es im heutigen Elsass, in Süddeutschland und der Nordwestschweiz viele Hinweise auf frühe Burgenbauten gibt. Insbesondere die als Hochmotten bezeichneten Holztürme auf künstlich aufgeschütteten Erdhügeln sind noch wenig untersucht. Sie waren im 11. Jahrhundert aber wohl sehr häufig, wie beispielsweise Vergleiche aus Frankreich zeigen. Mit dem Büchel in Zunzgen ist auch eine Hochmotte im Umland von Basel bekannt.

Versuch einer Rekonstruktion der Burgmotte "Büchel" bei Zunzgen. Unten rechts der zugehörige Herrenhof, im Hintergrund der Ort Zunzgen
Versuch einer Rekonstruktion der Burgmotte “Büchel” bei Zunzgen. Unten rechts der zugehörige Herrenhof, im Hintergrund der Ort Zunzgen (© Archäologie Baselland / Historisches Museum Basel).

… ihr Handwerk …

Wie archäologisch gut untersuchte Burgen zeigen, spielte das Handwerk im 11. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Auf den Burgen wurden wichtige Rohstoffe produziert und verarbeitet. Auf der Burg Altenberg, die wohl kurz nach 1000 errichtet, aber wenig später bereits wieder aufgegeben wurde, lassen sich verschiedene Handwerksbereiche nachweisen. Die Textilverarbeitung ist durch Spinnwirtel, Webgewichte, Flachshecheln, Wollkämme, Nadeln und Glättgläser – zum Glätten der Textilien – belegt. Objekte wie Hackbronzen, Schlacken und ein Prüfstein deuten auf Metallverarbeitung hin.

Die Frohburg bei Trimbach wurde im 10. Jahrhundert gegründet und bis ins 14. Jahrhundert bewohnt. Ihre Bewohner widmeten sich insbesondere der Eisenverarbeitung und der Knochenschnitzerei. Spinnwirtel, Scheren, Nadeln und Webgewichte bezeugen aber auch die Textilverarbeitung. Spinnwirtel kommen auch auf der Burg Ödenburg bei Wenslingen vor, die vom 11. bis zum 12. Jahrhundert bestand.

Versuch einer Rekonstruktion der Landschaft im 11. Jahrhundert. Im Vordergrund die Burg Altenberg bei Füllinsdorf. Im Hintergrund rechts die Ergolzmündung und das Rheinknie mit Basel
Abb. 2: Versuch einer Rekonstruktion der Landschaft im 11. Jahrhundert. Im Vordergrund die Burg Altenberg bei Füllinsdorf. Im Hintergrund rechts die Ergolzmündung und das Rheinknie mit Basel (© Archäologie Baselland / Historisches Museum Basel).

… und die Landwirtschaft

Auf den Burgen im 11. Jahrhundert ist vor allem Viehwirtschaft nachgewiesen. Zur Grundherrschaft der Burg gehörte aber meist auch Land, das – zumindest teilweise – für Ackerbau genutzt werden konnte. Ausserdem gibt es einzelne Mühlsteine von der Burg Altenberg und von der Ödenburg bei Wenslingen, die von der Verarbeitung von Getreide zeugen. Von Ödenburg stammt zudem ein Rebmesser, das auf Rebenanbau schliessen lässt. Die Traube lässt sich häufig in hochmittelalterlichen Fundstellen nachweisen und war sowohl für die Weinherstellung als auch als frisches oder getrocknetes Obst beliebt.

Unscheinbar doch kostbar: Der feingliedrige, silberplattierte und vergoldete Reitsporn von der Burg Altenberg bei Füllinsdorf
Abb. 3: Unscheinbar doch kostbar: Der feingliedrige, silberplattierte und vergoldete Reitsporn von der Burg Altenberg bei Füllinsdorf. Die schlecht erhaltene Nietplatte des Sporns endete in einer Art Tierkopf. Ein analog gefertigtes Paar fand sich im Grab König Philipps von Schwaben († 1208) im Speyrer Dom (© Archäologie Baselland).

Eine besondere Stellung bei der Viehhaltung nehmen die Pferde ein, die insbesondere der adligen Repräsentation und Zurschaustellung von Reichtum dienten. So finden sich Hufeisen und Hufnägel sowie manchmal Sporne und Steigbügel oft in gehobenem Milieu. Dass sie entsprechend häufig auf Burgen vorkommen, überrascht da nicht. Auf der vom 11. bis ins frühe 12. Jahrhundert bewohnten Burg Rickenbach befand sich der Pferdestall im unteren Geschoss, darüber wurden die Wohnräume eingerichtet. Auch auf der Frohburg zeugen ein Stall aus Holz und Viehschellen von Viehhaltung, wobei die Pferde als Reittiere eine wichtige Rolle spielten. Ebenso bei der Burg Ödenburg und der Burg Altenberg.

Die Herren der Burg Altenberg waren in ein Handelsnetz eingebunden, das ihnen erlaubte, seltene blaue Trinkgläser mit weisser Fadenauflage und bemaltes, gelbtoniges Geschirr zu importieren. Interessanterweise findet sich das gelbtonige Geschirr auch in der Handwerkersiedlung am Petersberg in Basel, zusammen mit Hufeisen und Hufnägeln. Einige Bewohner dieser Siedlung könnten entsprechend ebenfalls einen hohen Status genossen und über einen gewissen Reichtum verfügt haben.

Ländliche Siedlungen …

Noch schwieriger als Burgen lassen sich Landsiedlungen im 11. Jahrhundert archäologisch nachweisen. Die meist weilerartigen Siedlungen bestanden aus Holz und sind deshalb komplett vergangen. Von den einstigen Gebäuden zeichnen sich höchstens die Gruben und Pfostenstandorte im Boden ab. Dennoch konnten in den letzten Jahrzehnten einige Siedlungen dokumentiert werden, die seit dem Frühmittelalter bis ins Hochmittelalter bestanden haben. Solche Siedlungen sind aus Reinach, Lausen, Liestal, Oberdorf und Möhlin bekannt.

… ihr Handwerk …

Die Siedlungen bestanden vornehmlich aus in den Boden eingetieften Grubenhäusern. Durch die Eintiefung entstand eine hohe Luftfeuchtigkeit, weshalb sich die Bauten gut für die Verarbeitung von Textilien eigneten. Im 11. Jahrhundert dominierte dabei der senkrecht stehende Webstuhl. Produziert wurde für den Eigenbedarf und einen lokalen Markt.

Rekonstruktion eines senkrecht stehenden Webstuhls in einem Grubenhaus
Abb. 4: Rekonstruktion eines senkrecht stehenden Webstuhls in einem Grubenhaus (© Archäologie Baselland).

Eine Töpferei befand sich in Münchenstein. Bereits im Frühmittelalter wurde dort Keramik produziert. Im Hochmittelalter wurden schliesslich neue Öfen errichtet, was erlaubte, eine dünnwandigere Keramik herzustellen. In Liestal-Röserntal und Lausen-Bettenach ist ausserdem die Verarbeitung von Eisen belegt.

… und die Landwirtschaft

Im 11. Jahrhundert gewann der Ackerbau an Bedeutung. Mit dem Bevölkerungswachstum stieg der Bedarf an Nahrungsmitteln, und landwirtschaftlich nutzbare Flächen mussten ausgedehnt werden. Davon zeugen beispielsweise in Lausen-Bettenach archäobotanisch nachgewiesenen Überreste diverser Nutzpflanzen. Ein intensiver Ackerbau ist für viele hochmittelalterliche Siedlungen anzunehmen. Auch die Viehzucht ist in hochmittelalterlichen Siedlungen nachgewiesen.

Quellen

Literatur

Reto Marti, Grubenhaus bis Wohnturm. In: Archäologie Schweiz AS, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit SAM, Schweizerischer Burgenverein SBV (Hrsg.), Siedlungsbefunde und Fundkomplexe der Zeit zwischen 800 und 1350. Akten des Kolloquiums zur Mittelalterarchäologie in der Schweiz, Frauenfeld, 28.–29.10. 2010 (Basel 2011).

Reto Marti, Der Altenberg bei Füllinsdorf: Eine Adelsburg des 11. Jahrhunderts. Schriften der Archäologie Baselland 50 (Basel 2013).

Werner Meyer-Hoffmann, Burgstelle Rickenbach. In: Unsere Kunstdenkmäler: Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte 23 (1972), Heft 1-2, S. 71-74.

Werner Meyer, Die Frohburg: Ausgrabungen 1973-1977. Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 16 (Zürich 1989).

Jürg Tauber, Die Ödenburg bei Wenslingen – eine Grafenburg des 11. und 12. Jahrhunderts. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 12 (Derendingen 1991).

Abbildungen

Abb. 1: Burgmotte “Büchel” bei Zunzgen: Archäologie Baselland / bunterhund | Illustration / Historisches Museum Basel / Joe Rohrer).

Abb. 2: Burg Altenberg bei Füllinsdorf: Archäologie Baselland / bunterhund | Illustration / Historisches Museum Basel / Joe Rohrer).

Abb. 3: Reitsporn aus Altenberg-Füllinsdorf: R. Marti, W. Meyer, J. Obrecht, Der Altenberg bei Füllinsdorf. Eine Adelsburg des 11. Jahrhunderts. Schriften der Archäologie Baselland 50 (Basel 2013), S. 151-152, Abb. 205.

Abb. 4: Webstuhl in Grubenhaus: M. Schmaedecke, J. Tauber, Ausgrabungen in Lausen-Bettenach. Vorbericht über die archäologischen Untersuchungen 1985-1992. Archäologie und Museum 25 (Liestal 1992), S. 23, Abb. 28.

Autor*in

Annina Freitag studiert Geschichte und Archäologie in Basel. Seit 2017 arbeitet sie parallel zu ihrem Studium bei der Archäologischen Bodenforschung Basel-Stadt und ist dort für die Inventarisierung der Funde aus den archäologischen Ausgrabungen zuständig. Ihr Interessensschwerpunkt liegt insbesondere in der materiellen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Ausserdem nutzt sie ihre Ausbildung in Archäologie und Geschichte dazu, diese beiden Disziplinen stärker miteinander zu verbinden.